Vom Seemann

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Unter sternenlosen Himmel

schreit ein Sturm tief in die Nacht.

Eine Absicht, eine düstre,

ist zum Leben grad erwacht.

 

Da, ein Seemann, ganz alleine,

späht des Meeres Wogen aus.

Führt sein Schiff, das klein und träge,

auf die off´ne See hinaus.

 

Er ersehnt sich eine Welle,

die vom Sturme aufgebäumt,

die ihn schonungslos hinfortfegt

in das Meer, das giftig schäumt.

 

Dieses tragische Finale

ist der schlimmste Teil vom Plan.

Schon riskiert er Mast und Segel,

führt das Ruder wie im Wahn.

 

Laut erfleht er die Erlösung:

"Schau zu mir, sieh meinen Schmerz!

Sieh auf meine blut´ge Wunde,

sieh den Pfeil, der traf mein Herz!

 

Lass mich sterben, das erbitt ich,

wär auf ewig dankbar dir!

Schenk als Lohn dir meine Seele,

auch das Schiff biet ich dafür!"

 

Die Entscheidung liegt beim Meere,

man den graus’gen Einschlag hört;

der mit einem einz´gen Angriff

ihm das Schiff vollends zerstört.

 

Und dem Seemann, nah dem Wracke,

wird kein letztes Wort gewährt.

Er die Macht der dunklen Fluten

nun erbarmungslos erfährt.

 

Schon erkennt er jenen Tunnel

und das Licht, zu dem er weist,

als ganz plötzlich eine Nixe

ihm den Todeswunsch entreisst.

 

Diese Schöne hat schon viele

auf den rechten Pfad geführt.

Dieser falsche, der so endlich,

wird mitnichten toleriert.

 

"Oh Euphelia, oh Euphelia,

lass die Qualen doch vergehn!

Lass mich warme Winde spüren,

lass mich weisse Strände sehn!"

 

Doch es hilft kein bittres Klagen,

auch sein Weinen nützt nichts mehr,

dazu ist des Wesens Ansicht

zu der seinen zu konträr.

 

"Ich erlaub dir nicht zu sterben,

selbst die Liebe ist’s nicht wert!

Deine Ängste sind verständlich,

doch der Weg, der ist verkehrt!

 

Manche Lösung liegt so nahe,

doch die Trauer trübt die Sicht,

magst im Tod wohl vieles finden,

doch die Freiheit sicher nicht!"

 

Ihre Worte sind wie Feuer,

die kein Wasser niederringt.

Die Erkenntnis draus so einfach

und doch bitter zu ihm dringt.

 

Denn die Tat verkommt zur Dummheit,

wird entlarvt als Selbstbetrug;

was im Leben ihn bedrängte

ist zum Sterben nicht genug.

 

So der eis´gen Zeit des Dunkels

er mit letzter Kraft entgeht,

weil den Todesruf des Seemanns

ein Geschöpf des Meers versteht.

 

Trägt behutsam ihn zur Küste,

bis zum Morgen sie noch bleibt.

Nimmt erst Abschied in der Stunde,

als das Licht den Sturm vertreibt.

 

Zieht hinfort, doch nicht entschwindet,

nie im Leben ihm enteilt.

Weil in dem, was ihm so schmerzte, 

sie auf ewig nun verweilt.